Geduld an der Ampel

...
Rot
Rot
Rot
Rot
Rot
Rot
Gelb
Grün

So etwa kann man es sich vorstellen, wenn man in Taiwan an der Ampel steht. Die Rot-Phasen dauern und dauern und dauern und dauern ... - und keiner regt sich auf. Wenn wir in Deutschland schon nach 30 Sekunden zu schimpfen beginnen und die Ampel verfluchen, besitzt der durchschnittliche Taiwanese eine Engelsgeduld und wartet einfach ab. Und dieses Warten ist wirklich nicht von Pappe: In extremen Fällen wartet man etwa eine halbe Minute, und dann beginnt die Stoppuhr, die an vielen Ampeln angebracht ist, herunterzuzählen - von 99! Sie haben richtig gelesen: von 99 Sekunden, 98, 97, 96 ... bis sie irgendwann bei Null angekommen ist und man losfahren kann. Der durchschnittliche deutsche Autofahrer hätte bis dahin schon längst einen Herzinfarkt bekommen. Dies würde dann auch dadurch nicht ausgeglichen, dass man bei entsprechenden Grünphasen dann ebenso lange freie Fahrt hat.


Dieser positive Effekt ist dann wie ein Tropfen auf dem heißen Stein: Er verpufft unerkannt. In Taiwan hingegen macht das Warten nichts aus.

Dafür nehmen es manche Taiwanesen mit dem Respekt vor der Ampel nicht so genau: Man fährt selbst auf einigen Hauptstraßen bei Rot einfach weiter, und auf Nebenstraßen haben die Ampeln nur eine grobe Orientierungsfunktion. Sie stehen halt da, wo sie stehen, aber das ist es dann auch. Auf Nebenstraßen hat jeder seine eigene Ampel - und die steht immer auf Grün. Und am besten ist es ohnehin, man fährt Fahrrad: Dann braucht man niemals zu warten, den Ampeln existieren für Fahrradfahrer einfach nicht - oder nur da, wo es gefährlich werden könnte. Ansonsten fährt man einfach durch - und selbst die Polizei guckt zu.

..